25 Jahre Volkswagen Nutzfahrzeuge
• Neuaufstellung der weltweiten Nutzfahrzeug-Aktivitäten
• Ehemaliger Vorstandschef Wiedemann erinnert sich
Vor einem Vierteljahrhundert, am 9. November 1995, wird in Hannover die Gründung von Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) bekanntgegeben – damalsals fünfte Konzernmarke neben Volkswagen, Audi, Seat und Skoda. Dahinter steckt die Idee, die Nutzfahrzeugaktivitäten des Volkswagen Konzerns neu aufzustellen. Produktplanung, Entwicklung, Einkauf, Produktion und Vertrieb sollten künftig von VWN gebündelt werden.
Bernd Wiedemann wurde Vorsitzender der Geschäftsleitung der jungen Marke. Berufen von Ferdinand Piëch, kam der 52-jährige Maschinenbauer im Sommer 1995 nach Hannover - aus Südamerika. Dort war er Vizepräsident von VW do Brasil und Vorstandsmitglied der Autolatina, ein strategisch-operatives Konsortium von Volkswagen und Ford, 1987 gegründet.
Wiedemann steuerte bei der Autolatina Produktplanung, Entwicklung, Logistik und Produktion von mehr als 3.500 Fahrzeugen pro Tag an neun Standorten in Brasilien und Argentinien. Und er revolutionierte die LKW-Fertigung im brasilianischen Resende mit dem Produktionskonzept des „Consórcio Modular“, das die Zulieferer einbezog.
Jede Menge Erfahrungen und beste Voraussetzungen also, um die neue Marke auf die Beine zu stellen und Verantwortlichkeiten neu zu ordnen.
Dr. Bernd Wiedemann erinnert sich: „Wichtig war zuerst einmal, die Vielzahl der Themen und Aktivitäten organisatorisch zu bündeln und die Verantwortlichkeiten neu zu regeln. Die direkte Berichterstattung an den Vorsitzenden des Konzernvorstands war uns ein Anliegen.“ Das gelang – auch wenn das damals andere Konzernteile und Marken etwas anders sahen. „Dennoch blieb es eine Sisyphos-Arbeit angesichts der Vielzahl von Produktionsstandorten. Neben Hannover und Emden wurden auch in Polen, Tschechien, Spanien, Mexiko, Brasilien, Südafrika und Taiwan Nutzfahrzeuge gebaut“, so Wiedemann.
Beim sogenannten UBN (Unternehmensbereich Nutzfahrzeuge), wie das Transporterwerk in Hannover Volkswagen-intern hieß, kam die Idee gut an,Keimzelle der fünfte Marke im Konzern zu sein.
Der damalige Betriebsratsvorsitzende Siegfried Schinowski begrüßte die Neustrukturierung, weil dadurch kürzere und schnellere Wege zur Standort- und Beschäftigungssicherung und Kompetenzen im neuen Leitwerk Hannover gebündelt würden. Hinzu kam, dass alle gültigen und künftigen Tarifverträge auch weiterhin uneingeschränkt für Hannover galten. VWN blieb Teil der Volkswagen AG.
14.000 Mitarbeiter waren 1995 in der hannoverschen Transporter-produktion und der Gießerei beschäftigt. In diesem Jahr verließen 700 T4 durchschnittlich pro Tag die Bänder. Das zweite Standbein des Werks, der LT, stand mit einer Tagesproduktion von 80 Stück kurz vor dem Ende seiner Produktion – ein Nachfolger war mit dem LT2 zwar in Sicht, aber erst für Mitte 1996 geplant.
Volkswagen war unterhalb des traditionellen Transportergeschäfts mit dem Caddy bis 1992 präsent. Der Stadtlieferwagen auf Golfbasis wurde bis zum Beginn des Bürgerkriegs im einstigen Jugoslawien gefertigt. Ein Caddy-Nachfolger musste her, zudem sollte der brasilianische 7,5-Tonnen-LKW, der L80, als Export die Modellpalette abrunden.
Die neue Marke VWN hatte, so Wiedemann damals in einer Pressekonferenz, das Ziel, ihren Marktanteil weltweit auszubauen. Zwar war VWN in Südamerika dank des dort gebauten Bullis T2 die Nummer eins bei leichten Nutzfahrzeugen und die Nummer zwei bei Lastwagen, aber in Europa war die Marktstellung im Gegensatz zum Pkw-Bereich noch relativ schwach.
Im Werk Hannover hielten neue Fertigungs- und Logistikkonzepte Einzug. Die Produktpalette wurde mit dem Ziel verändert, bedeutende Skaleneffekte in Großserien zu erreichen. Parallel wurde der bisherige Montagestandort im polnischen Poznań zum voll funktionstüchtigen Werk für die Großserienfertigung ausgebaut.
Neu entwickelte Modelle brachten nach einer Konsolidierungs- und Neuorientierungsphase ab der Jahrtausendwende den Turnaround. „VWN wurde profitabel und finanzierte die Investitionen aus eigener Kraft“, unterstreicht Bernd Wiedemann.
2003 brachte VWN die fünfte Bulli-Generation, den T5, auf den Markt. Allein für die Entwicklung der nun deutlich differenzierten Varianten California, Multivan und Transporter wendete die Marke zwei Milliarden € an Entwicklungskosten auf.
2004 folgte die neue, dritte Caddy-Generation, die im Volkswagenwerk Poznań und seitdem nur dort gebaut wird.
Die LKW-Produktion im brasilianischen Resende boomte, dort lief ab 2005 der schwere LKW-Baureihe Constellation vom Band, mit der Volkswagen die Marktführerschaft in Brasilien erreichte. 2008 wurde die Volkswagen Trucks and Bus South America Operations bei MAN eingegliedert und ist heute als MAN Latin America ein wesentlicher Teil der TRATON-Gruppe.
Ab 2006 komplettierte der Crafter vorläufig die Neuvorstellungen von VWN, für dessen neueste Generation 2016 im polnischen Września ein hochmoderner Standort eröffnet wurde.
Der Amarok war fertig geplant und lief seit 2009 im argentinischen Volkswagen Werk Resende und in Hannover seit 2012 vom Band. Und Bernd Wiedemann? Ende 2006 ging er in den Ruhestand. Sein 1995 formuliertes Ziel, die Weltmarktanteile auszubauen, erreichte er mit der erfolgreichen Marke VWN mühelos. Heute ist Volkswagen Nutzfahrzeuge einer der führenden Hersteller von leichten Nutzfahrzeugen.
„In den vergangenen 25 Jahren hat sich Volkswagen Nutzfahrzeuge zu einer Marke mit riesiger Strahlkraft entwickelt“, betont Carsten Intra, Vorstandsvorsitzender von VWN. „Mit unseren Fahrzeugen wie der T-Reihe, dem Crafter, dem Caddy oder dem Amarok begeistern wir Kunden auf der ganzen Welt.“
„Mein Dank geht an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sind die Seele der Marke“, so Intra weiter. „Viele arbeiten seit vielen Jahren bei uns, manche schon in der zweiten oder dritten Generation. Gemeinsam führen wir Volkswagen Nutzfahrzeuge in eine erfolgreiche Zukunft. Unsere Fabriken bleiben Hochtechnologie-Standorte. Und mit dem ID. BUZZ kommt ab 2022 auch der Bulli für das Elektrozeitalter aus Hannover.“
Bertina Murkovic, Betriebsratsvorsitzende von Volkswagen Nutzfahrzeuge: „1995 begann eine beispiellosen Erfolgsgeschichte, auf die wir alle zu Recht stolz sein können. VWN steht heute als moderne Marke da, mit unverwechselbarem Profil und genießt Vertrauen in aller Welt. Unsere Arbeitsplätze sind zukunftsorientiert und gesichert. Als Betriebsrat bedanken wir uns bei Bernd Wiedemann, Siegfried Schinowski und allen anderen Nutzis, die damals den Mut und die Weitsicht hatten, die entscheidenden Planungen, Modellgenerationen und Standorte einzuleiten, die VWN bis heute erfolgreich machen. Und natürlich gilt unser Dank auch unseren Kolleginnen und Kollegen an den Bändern und in den Büros, die seitdem tagtäglich daran mitgearbeitet haben, dass unsere Marke erfolgreich bleibt.“
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