Entwicklung mit der VR-Brille: So virtuell arbeitet Volkswagen

Beispiel 1: Der Fahrsimulator in der Technischen Entwicklung

Hände ans Lenkrad, Fahrstufe D einlegen, Bremse lösen, anrollen. Eine Straße in Wolfsburg, Häuser, Bäume, ganz alltäglich. Klingt langweilig? Ist es nicht. Der Fahrer ist in virtueller Realität unterwegs. Er sitzt in einem Fahrsimulator in der Technischen Entwicklung von Volkswagen und sieht die Fahrumgebung in einer VR-Brille. Bei der virtuellen Fahrt prüft er viele Punkte ab, die für den Umgang mit den Bedienelementen oder für das gesamte Kundenerlebnis wichtig sind. Wirkt der (reale) Ruck bei einer Sicherheitsgurtstraffung irritierend? Wie einfach lassen sich verschiedene Fahrzeugfunktionen aktivieren? Ist die Bedienung des Displays intuitiv?

Für die virtuelle Fahrt zeichnet sich das Virtual-Reality-Kompetenzzentrum (VRK) von Volkswagen verantwortlich – es hat die Aufgabe, neue Fahrzeugkonzepte zu einem sehr frühen Zeitpunkt erlebbar zu machen. Das beschleunigt die Entwicklung und schont Ressourcen.

Im Fahrsimulator ist der Fahrer in virtueller Realität unterwegs

Hightech-Werkzeug: Die Maßverhältnisse passen genau

Der dynamische Simulator ist physisch als einfaches Cockpit-Modell konzipiert. Türen oder einen Beifahrersitz gibt es nicht, die Instrumententafel hat eine plane Oberfläche und eine Halterung für Display-Dummys. Über elektrische Stellmotoren lassen sich der Fahrersitz, das Lenkrad und die Pedale so einstellen, dass sie exakt den Maßverhältnissen des künftigen Fahrzeugmodells entsprechen, ob City-Car oder leichtes Nutzfahrzeug. Spannend wird es, wenn die Entwickler die VR-Brille aufsetzen – mit ihr können sie Anzeige- und Bedienelemente wie Displays und Spiegel virtuell sehen. Ein Kamerasystem verfolgt die Bewegungen der Hände und überträgt sie in die VR-Szene.
„Die Rohdaten für den Innenraum beziehen wir aus den verschiedensten Bereichen der Technischen Entwicklung“, beschreibt Florian Kerzel, Entwicklungsleiter in der Konzern-IT. „Sie werden für unsere Zwecke aufbereitet, durch eine Game-Engine visualisiert und in die VR übertragen.“ Sandro Hagemann, der die Weiterentwicklung der Visualisierungssoftware koordiniert, ergänzt: „Alle Teile passen exakt zusammen. Wir arbeiten in der VR praktisch genauso präzise wie in der Realität.“

"Die Rohdaten kommen aus verschiedensten Bereichen der Technischen Entwicklung. Sie werden durch eine Game-Engine visualisiert und in die VR übertragen."

Florian Kerzel Entwicklungsleiter in der Konzern-IT

Virtuelle Stadt-Tour mit dem elektromechanischen Hexapod.

Bei der virtuellen Stadt-Tour vermittelt der Ergonomie-Simulator Eindrücke, die das Fahrerlebnis realitätsnah machen. „Die Längs- und Querbeschleunigungen werden von einem elektromechanischen Hexapod erzeugt“, erklärt Timo Schimmel, der die Simulation des Fahrgefühls verantwortet. „Das ist die Plattform, auf der das variable Cockpit befestigt ist und die die Bewegungen der Karosserie in allen Richtungen nachbildet.“

„Eine junge Frau stellt ganz andere Anforderungen an ein Fahrzeug als ein älterer Mann. Der Fahrsimulator hilft uns, den bestmöglichen Kompromiss zu finden.“

Bert Hartfiel VR-Systementwickler

Die Beurteilung der Ergonomie im Fahrsimulator ist anspruchsvoll – aber ganz perfekt und passend für jedermann kann sie naturgemäß nicht sein. „Unsere Kunden sind nun mal völlig unterschiedlich. Eine junge Frau stellt ganz andere Anforderungen an das Sitzen und die Bedienung als ein älterer Mann“, erklärt Bert Hartfiel, VR-Systementwickler im Fahrsimulations-Team. „Das Ziel unserer Auslegung ist immer der bestmögliche Kompromiss. Der Fahrsimulator hilft uns sehr, ihn zu erreichen.“

Beurteilung von Farben und Ausstattungen: VR in der statischen Sitzkiste

Zu den Aufgaben des VRK gehört auch der Digital Customer Check (DCC) – ein wichtiger Entscheidungstermin, bei dem die Entwickler den Innenraum eines neuen Modells aus der Sicht der späteren Kunden bewerten. Çağdaş Tekcan, VR-Systementwickler aus dem VRK, erklärt: „Hier arbeiten wir mit einer statischen Sitzkiste, die ebenso wie der Fahrsimulator alle Maße im Innenraum des neuen Modells exakt abbildet. Beim DCC sollen die Entwickler den Eindruck mithilfe von Virtual Reality subjektiv beurteilen. Dafür können wir ihnen jederzeit verschiedenste Farbkonzepte oder auch ganze Ausstattungslinien in die VR-Brille einspielen. Wenn gewünscht, können wir sogar den Innenraum des Vorgängermodells oder eines anderen Vergleichsfahrzeugs zeigen.“

„Mit Virtual Reality können wir neue Konzepte sehr früh erlebbar machen. Mit einem Mausklick können wir neue Farben oder ganze Ausstattungslinien einspielen.“

Çağdaş Tekcan VR System Entwickler

VR-Anwendungen im ganzen Volkswagen Konzern

Anwendungen wie der Fahrsimulator und die VR-Sitzkiste von Volkswagen bringen dem Unternehmen großen Nutzen. Vor allem in der frühen Phase einer Fahrzeugentwicklung machen sie den Bau vieler physischer Prototypen unnötig. Generell verringern die VR-Tools den Aufwand für Material und Dienstreisen und leisten damit einen Beitrag zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele. Zudem vereinfachen sie Abstimmungs- und Bewertungsprozesse. Kurz: Sie sparen viel Zeit und Kosten ein.

Ganz ähnlich gilt dies für weitere virtuelle Tools, die Volkswagen benutzt. Der Digital.Realities:Hub – eine cloudbasierte Plattform, die die VR- und AR-Anwendungen sowie die Teilnehmer miteinander vernetzt – fasst etwa 150 VR-Tools zusammen. Darüber hinaus bündelt die Plattform viele relevante Services, die für AR- und VR-Anwendungen benötigt werden. Dazu gehören unter anderem Dienste für automatisierte Datenaufbereitung und Datenpipelines, Asset- und Benutzerverwaltung sowie digitale Zusammenarbeit.

Der Digital.Realities:Hub bezieht fast alle Marken, Gesellschaften und weltweiten Standorte des Volkswagen Konzerns ein; jedes Jahr finden etwa 3.300 VR-Sessions statt. Diese Vielzahl zeigt, wie weit der Einsatz digitaler Entwicklungstools schon vorangekommen ist.

Der Digital.Realities:Hub vernetzt VR- und AR-Anwendungen sowie die Teilnehmer.

Beispiel 2: Virtuelle Montageplanung statt Sperrholz und Pappe

Ein Beispiel für den Einsatz von VR in der Fertigung sind die sogenannten 3P-Workshops (Production Preparation Process). Sie finden statt, wenn es an einem der vielen Konzern-Standorte eine Montagelinie auf- oder umzubauen gilt. Vertreter der Werksplanung, der Logistik, der Montage, des Vorseriencenters und der Qualitätssicherung ermitteln dann im Workshop, wie die einzelnen Arbeitstakte gestaltet sein müssen – in allen Details: Steht der Materialwagen genau an der richtigen Stelle? Muss der Mitarbeiter keine überflüssigen Wege gehen? Und sind alle Bewegungsabläufe ergonomisch okay? 

Traditionell wurden diese Stationen aus Sperrholz, Pappe und Dummy-Elementen aufgebaut, wie Dennis Abmeier, Business Partner Manager Digital Realities Konzern-IT, berichtet. „Und als Fahrzeug diente ein Prototyp, der zuvor entsprechend zerlegt worden war. Prototypen sind jedoch sehr teuer, deshalb haben wir die Workshops in die VR-Welt überführt – in virtuelle Meetings, in virtuelle Takte und an virtuelle Autos. Als Datenbasis dient ein digitales Abbild der Produktionsanlagen. Die digitalen Abbilder der einzelnen Montagetakte wurden in eine Game-Engine exportiert und über 3D-Brillen visualisiert.“

„Reale Fahrzeug-Prototypen sind sehr teuer, deshalb haben wir die Montage-Workshops in die VR-Welt überführt.“

Dennis Abmeier Business Partner Manager Digital Realities

Große und kleine Avatare

Abmeier berichtet über den Ablauf: „Die meisten Teilnehmer treffen sich in den Trainingscentern der Werke und in ähnlich ausgestatteten Räumen. Sie tragen Controller und Datenhandschuhe, das Trackingsystem im Raum überträgt ihre Bewegungen in die Simulation. Dort agieren sie als Avatare, also als schematisch dargestellte Figuren. Jeder Teilnehmer kann seinen Avatar in der Größe konfigurieren. So sehen wir, ob ein Zwei-Meter-Mann mit dem Kopf an der Kofferraumklappe anstößt oder sich eine 1,60-Meter-Frau strecken muss. Alle Teilnehmer tragen am Handgelenk ein Display, das ihnen ihre Arbeitsschritte anzeigt. Die jeweils benötigte Zeit wird aufgezeichnet.“

Auch Audi gehört zu den Vorreitern in der VR-Technologie. „Der e-tron GT war das erste Modell von Audi, das in den 3P-Workshops ohne physischen Prototyp ausgekommen ist“, sagt Abmeier. „In der VR-Welt analysieren wir Montageprozesse ganzheitlich, dadurch können wir Fehler früher erkennen als bisher und die Workshop-Kaskade verkürzen.“

Nach dem Pilotprojekt e-tron GT ist die VR-Technologie weitergezogen – ins Audi-Werk in Mexiko und ins Volkswagen Nutzfahrzeugwerk Hannover. Nach jedem Einsatz werden die Software und Methodiken weiterentwickelt. Die virtuellen Workshops eignen sich nicht nur für die Montage, sondern auch für das Presswerk, den Karosseriebau, die Lackiererei und die Logistik – an allen Standorten weltweit.

Volkswagen setzt bei neuen Logistikprozessen immer stärker auf Virtual Reality.

Beispiel 3: Virtual Reality in der Logistik

Auch bei der Einführung neuer Logistikprozesse stützt sich Volkswagen immer stärker auf Virtual Reality: Statische Darstellungen und theoretische Textdokumente, die die Prozesse beschreiben, werden durch VR-Anwendungen ersetzt. Damit will das Unternehmen die Effizienz weiter steigern und seine digitale Transformation beschleunigen.

Ein Beispiel dafür sind VR-Workshops, in denen es darum geht, Arbeitsabläufe in der Logistik an ein neues IT-System und dessen Software anzupassen. Für die Beschäftigten, die in den weltweiten Werken Tausende Prozesse beherrschen müssen, bringen die Umstellungen viele Neuerungen mit sich: Wie sieht das Label aus, das gescannt werden muss? Was ist zu tun, wenn bei der Inventur irgendeine Kleinigkeit nicht stimmt? In VR-Workshops mit Planern und IT-Spezialisten können die Logistik-Experten die Prozesse frühzeitig diskutieren, ihr Fachwissen einbringen und die Abläufe aktiv mitgestalten.

Malte Hedemann, Lead Group Collaboration:Hub, berichtet über die Stärken von VR: „Bisher war es so, dass die Kollegen viele Stunden lang zusammen am Tisch saßen. Am Ende standen zahlreiche Texte und Diagramme. Mit unseren VR-Tools können wir die Prozesse jetzt so darstellen, dass jeder sie virtuell durchlaufen kann und auf Anhieb versteht.“

Die Simulationen, die Hedemann und seine Kollegen einsetzen, bilden eine abstrahierte Wirklichkeit ab. Sie ermöglichen es den Mitarbeitenden, die sich mit Datenbrillen und -handschuhen in ihnen bewegen, die digitalen Systeme und Arbeitsmittel kennenzulernen und zu erproben.

„Mit unseren VR-Anwendungen können wir Arbeitsabläufe visuell so darstellen, dass jeder sie auf Anhieb versteht.“

Malte Hedemann Lead Group Collaboration:Hub

„In der Simulation erfolgen die Analyse von Schwachstellen und das Änderungsmanagement sehr schnell und fokussiert“, erklärt Hedemann. „Eine weitere Stärke der VR-Anwendungen ist, dass wir sie in allen Projektphasen nutzen können – bei der Planung eines Prozesses, bei seiner Anpassung auf die speziellen Gegebenheiten im jeweiligen Werk, beim Training der Mitarbeiter und im laufenden Betrieb.“

Noch befinden sich die VR-Anwendungen in der Erprobungsphase, ihren ersten Einsatz werden sie voraussichtlich am Standort Emden erleben. Und danach soll es Schlag auf Schlag gehen: Dann wird die VR-Technologie auch auf Werke außerhalb Europas ausgerollt.

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