Anna Gasser: Bilder im Kopf

Olympiasiegerin, Weltmeisterin, dreifache Gewinnerin der legendären X-Games – Anna Gasser hat dem Snowboard-Sport nachweislich ihren Stempel aufgedrückt. Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele spricht die Überfliegerin in der Wiener Innenstadt passenderweise im „House of Progress“ über ihre Marschrichtung und die Ausgangsposition für Peking, ihre Ziele, das heimische Nachwuchsproblem und die Zeit danach.

Anna, am 4. Februar 2022 werden die Olympischen Spiele in Peking eröffnet, wie sieht dein Fahrplan und Wettkampfkalender bis dahin aus?
Ich habe die beiden Slopestyle-Weltcups in Übersee auslassen, trainiere lieber in aller Ruhe daheim. Am 15. Jänner steige ich in Laax wieder in den Weltcup ein, von der Schweiz geht es direkt weiter nach Aspen, wo ich die X-Games bestreite. Anschließend kehre ich für fünf Tage nach Österreich zurück, dann geht es rüber nach Peking.

Die X-Games werden damit zur ultimativen Generalprobe, ist eine weitere Goldmedaille das ganz große Ziel?
Wenn das noch einmal hinhaut, wäre es natürlich ein Traum. (lacht)

Du hast dich vor vier Jahren in Pyeongchang zur Olympiasiegerin gekürt, wie präsent sind die Erinnerungen, welche Bilder oder Augenblicke kommen dir nach wie vor in den Sinn?
Es ist arg, wie schnell diese vier Jahre vergangen sind, zumindest fühlt es sich für mich nicht nach vier Jahren an. Die Erinnerungen sind schon noch sehr stark, ich denke oft zurück, speziell an den Moment, an dem der Contest vorbei und die Entscheidung gefallen war. Als der gesamte Druck und die enorme Anspannung plötzlich abgefallen sind, nur noch Glücksgefühle und überwältigende Emotionen vorgeherrscht haben. Diesen Moment mit meiner Familie, meinen Trainern und allen Leuten, die mit mir vor Ort waren zu teilen, ist für mich wesentlich präsenter als zum Beispiel meine Sprünge oder die Siegerehrung.

Wie schätzt du die Konkurrenz für Peking ein, wie beurteilst du die Ausgangsposition und deine Chancen?
Vor vier Jahren bin ich als absolute Favoritin zu den Olympischen Spielen gefahren, das ist diesmal anders. Die Qualität ist noch höher, die Dichte breiter, der Sport hat sich enorm weiterentwickelt. Es gibt mittlerweile einige sehr starke Fahrerinnen, zirka acht Mädels, die allesamt auf einem Top-Niveau performen können. Ich könnte jetzt keine absolute Gold-Favoritin ausmachen, alle von ihnen können gewinnen. Ich verspüre auf jeden Fall viel weniger Druck als vor Pyeongchang, bin jetzt wesentlich gelassener.

„Ich fühle mich gut vorbereitet, freue mich auf Peking und möchte natürlich neuerlich mit einer Olympiamedaille heimkommen.“

Klingt danach, als könntest du die olympischen Bewerbe nach dem Druck, den du dir vor vier Jahren gemacht hast, diesmal mit mehr Spaß angehen.
Ich möchte sie auf jeden Fall mehr genießen, aber zum Spaß, rein zur Gaudi, fahre ich natürlich nicht rüber.

Der Snowboardsport hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt, wie sieht es mit der Wahrnehmung aus? Hast du das Gefühl, dass dein Sport mittlerweile ernster genommen wird?
Am Beginn meiner Karriere habe ich die Fachbegriffe bei Interviews noch erklären müssen, selbst meine Mutter wusste nicht was ein Slopestyle ist. Snowboarder sind damals eher als Rebellen hingestellt worden. Aber Party machen und am nächsten Tag einen Contest fahren, spielt sich auf höchstem Level schon lange nicht mehr.

Obwohl euer Sport boomt und immer jünger wird, hat Österreich mit dir und Clemens Millauer seit Jahren lediglich zwei Weltcupstarter im Big Air am Start. Woran liegt das und was müsste man ändern?
Das hat systembedingte Gründe. Wir haben super Parks, aber leider keine Infrastruktur und auch keine Nachwuchsprogramme, wie beispielsweise die Schweizer oder Deutschen. Ähnlich wie beim Skisport müsste man bereits bei den Kleinen vom Verband her voll dahinter sein, das ist leider nicht  der Fall und sehr schade.

Abschließend, hast du dir schon Gedanken über die Zeit nach Peking gemacht, hängst du eine weitere Olympiakampagne an?
Aktuell kann ich mir zwar nicht vorstellen etwas anderes zu machen, weil es mir gerade so viel Freude bereitet, aber Fakt ist, dass ich damit vier weitere Jahre dem Sport alles unterordnen müsste. Also keine Auszeit, keine Pause, keine Urlaube. Mit der Frage, ob ich nochmals dazu bereit bin, möchte ich mich gegenwärtig nicht auseinandersetzen.

„Wenn ich sehe, dass ich mich nicht mehr weiterentwickle, würde ich sofort aufhören, aber wie gesagt, das ist jetzt nicht das Thema.“

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